Home

letzte Änderung

17.09.2001

Ch. Orlowski

Presse FRANKFURT

Frankfurter Neue Presse vom 22.2.2001

Von wilden Tigern und kühnen Artisten

 Von Jutta W. Thomasius 

Zwei junge Bengal-Tigerinnen schleichen auf Samtpfoten in die von Gittern umrundete Manege mit etlichen schon bereitstehenden Podesten. Fahren plötzlich die Krallen aus und greifen einander an. Die vier anderen Tiger stellen zwar auch die Haare auf, halten sich aber aus dem Streit heraus. Dompteur Carl Mundeling betritt das Schlachtfeld. Minuten vergehen, bevor sich die beiden rasenden Katzen nicht mehr prügeln, sondern Worten und Peitschenzeichen ihres Herrn gehorchen – und doch noch folgsam ihre Dressur zeigen.

Aufregender Beginn der zweiten Halbzeit gestern bei der Premiere des Circus “Busch-Roland” auf dem Platz am Ratsweg. Der Kampf war keine ausgeklügelte Show, zwecks Nervenkitzels des Publikums. Was Direktor Oliver Geier-Busch als Regisseur serviert unterm blauen Chapiteau mit den Tausenden von Goldsternen, sind Tierdressuren und Akrobatentricks vom Feinsten. Basierend auf ehrlicher Leistung und Tradition, ausgestattet mit dem Gespür für das, was der moderne Mensch von “Entertainment” an Tempo, Präzision und Glamour erwartet.

Das Tournee-Programm 2001 ist die prickelnde Mischung von Aktion und Charme, ein Triumph der Jugend und der Schönheit. Artistenfamilien aus der Tschechei, Russland, Belgien und Deutschland treten mit Sprösslingen an, die ihnen nacheifern und sie artistisch herausfordern.

Da breitet die Ukrainerin Tetyana Mak, zwischen den Zähnen von Partner Aleksander hängend, ihre Arme wie ein Schmetterling. Nur von der Nackenschlaufe wird sie gehalten, wenn sie über der Manege Dutzende von Pirouetten dreht.

Da setzen René und Alexia Cassely, als Dompteure, Reiter und Tiertrainer, mit andalusischen Vollblütern auf den Zauber tänzerischer und reiterischer Perfektion.

Afrikanische Dickhäuter sind ihnen ebenso brave Kollegen wie ein Pferde-Sextett. Hohe Schule mit spanischer Grandezza hier, die Pferde-Freiheit, gekoppelt mit Levade und tiefstem Knicks, dort: Vom betonierten Manegeuntergrund verursachte Ausrutscher der Tiere, wie sie bei der Premiere noch passierten, werden sich nicht wiederholen! “Zum Glück kam kein Pferd zu Schaden”, versicherte René Caselly.

Anmut und Artistenkunst: Sandra Stipka, so weizenblond wie Schwester Silvia, machen das Spiel mit eigentlich überhaupt nicht handlichen Objekten zur perfekten Kalkulation von Schwerkraft und vorhandenem Raum. Hand, Fuß, Fußsohle und Köpfchen setzen sie ein beim Jonglieren und Balancieren. Während die Ivanov-Truppe mit einem “Puppenspiel” der besonderen Art zeigt, was in einer zierlichen Frau an Biegsamkeit, Anschmiegsamkeit und Dehnbarkeit steckt, und das Trio seine Springerin vom “Russischen Balken” zu Dreifachsalto und Zweifachschraube abheben lässt, arbeiten die Wolfs auf schmalen freistehenden Leitern so elegant, als stünden sie auf festem Boden. Der Spagat zwischen zwei Leitern, Überschläge an der Stange, die zwei auf der Leiterspitze stehende Herren halten: Alles sieht aus wie selbstverständlich. Wenn zwei Wolf-Junioren am Achteck-Reifen “bodenlos” kühne Tricks präsentieren, dürfen sich die Zuschauer auch über den dazugehörenden “Matrix”-Sound freuen.

Aber was wären zirzensische Höhepunkte ohne Clown? Vladimir Slobodeniuk, der kleine wuselige Kerl mit der Himmelfahrtsnase, serviert seine liebenswerten, artistisch ausgefeilten Hanswurstiaden, rührend naiv und mit lächelndem Spott.

Verzweifelt kämpft er mit dem verrückt spielenden Notenständer, mit kleinen Bällen und großen Leuten, die er aus dem Zuschauerrund in die Manege holt. Sie mit Trillerpfeifen-Stimme bittet, aufeinander zuzugehen oder mit ihm zu tanzen. Ihnen den Beifall überlässt, auch wenn nichts klappte. Vladimir, der auf dem Schlappseil ein toller Balancekünstler ist, ein Repriseclown, der Kinder zum Lachen und Erwachsene fast zum Weinen bringt, weil er so rührend ist! Er spaziert als Leitfigur durch ein Programm, von dem man lange zehren kann. Sogar das Elefantenreiten nach dem Finale möchte man nicht missen.

 

Frankfurter Rundschau  22.02.2001

Salti, Schrauben und Pyramide mit vier Dickhäutern

Premiere des Zirkus Busch-Roland: Artistische Spitzenkräfte im neuen Viermastzelt

Von Lothar Vetter

Premiere am Dienstag Abend im Circus Busch-Roland auf dem Festplatz am Ratsweg: Schon zum Auftakt wird in dem Traditionszirkus nicht gekleckert, sonders geklotzt. Da stürmen gleich zu Beginn zwei Elefanten in die Manege. Sie tragen auf dem Rücken ein Artistenpaar der Sonderklasse: Alexia und René Casselly. Während die putzmunteren Dickhäuter mit wachen, blitzenden Augen im Kreis traben, gibt es auf ihren Rücken in drei Meter Höhe verwegene akrobatische Leistungen, die in einem einarmigen auf dem dahintrabenden Untergrund gipfeln. Und am Ende sind es dann sogar vier dieser massigen, grauen Riesen im Manegenrund. Das achtbeinige Quartett, darunter zwei Bullen mit Respekt einflößenden Stoßzähnen, baut mit den Artisten eine Pyramide auf.

Bleiben wir bei den Tieren: Auch die rassigen Apfelschimmel sind eine Augenweide, ebenfalls von den Cassellys als Freiheitsdressur vorgeführt. Perfekt sitzt die Hohe Schule. Die Pferdedressur wurde gerade beim Circusfestival in Monte Carlo vorgeführt, wo sie den "Prix du Club du Cirque Francais" gewonnen hat.

Nach der Pause schlägt die Stunde der Großkatzen. Sechs Tiger eröffnen den bunten Reigen. Die Zuschauer in der Loge halten die Luft an. Direkt vor ihrer Nase bearbeiten zwei der Zirkuskünstler gegenseitig mit blitzschnellen Prankenhieben ihre gestreiften Felle. Doch Tierlehrer Carl Mundeling kriegt die letztlich harmlose Balgerei schnell in den Griff. Spielerisch gehorchen die Großkatzen seinen Befehlen, rollen sich im frisch aufgetragenen Sägemehl und quittieren zum Abschluss mit Fauchen den begeisterten Applaus des Publikums.

Die Show rollt in einem funkelnagelneuen Zelt ab. Mit vier Masten, aber ohne Stangen, die die Sicht stören. Als konventionell arbeitendes Unternehmen bietet Busch-Roland alle Pluspunkte eines modernen Zirkus: saubere Tiere, schöne Kostüme, die flotte Abfolge der einzelnen Nummern ohne langatmige Ansagen.

Das Duo Mak zeigt gewagte Luftartistik am Fangstuhl, ohne Netz - da muss jeder Handgriff sitzen. Hier paart sich Kraft mit Ästhetik. Die Fußjonglage der Silvia Stipka ist ein Wunder an Konzentration. Ebenso gelungen Sandra Stipkas Bälle- und Keulenjonglage im zweiten Teil. Sie fängt im Dunkel sogar sechs brennend durch die Luft wirbelnde Fackeln auf - und immer am richtigen Ende. Den Abschluss bildet das Trio Ivanovi mit dem Russischen Barren: eine federnde Wurfstange, die auf den Schultern der beiden Männer ruht und auf der, sechs Meter hoch geschleudert, die junge Artistin sogar einen Doppelsalto mit ganzer Schraube dreht und sicher landet. Da stockt einem schon der Atem.

Last but not least sei der Clown Vladimir Slobodeniuk genannt: Er führt mit seinen einfach gestrickten, aber um so wirkungsvolleren Späßen durchs Programm, wird zum Freund nicht nur der Kinder, weil er jenes feine Understatement beherrscht, das russische Komiker auszeichnet. Und er ist zugleich Artist: Was er auf dem Schlappseil zeigt, ist ebenfalls Weltklasse. Man darf Direktor Heinz Geier-Busch zu einem ungewöhnlichen Programm mit Spitzenkräften gratulieren.

  Der Zirkus Busch-Roland gastiert bis Sonntag, 11. März, auf dem Festplatz im Riederwald, vor der Eissporthalle. Karten zum Preis von 22 bis 52 Mark an den üblichen Vorverkaufsstellen. Reservierung unter Telefon 0172 - 510 92 57, Fax 0172 - 563 55 26.

  [ document info ] Copyright © Frankfurter Rundschau 2001  Dokument erstellt am 21.02.2001 um 23:57:03 Uhr Erscheinungsdatum