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Ch. Orlowski

15.07.2001

KIEL

Kieler Nachrichten

KN Nr. 118    Dienstag, 22. Mai 2001

Manege frei im Zelt mit Durchblick

Circus BuschRoland hat heute Premiere

Nein, ein dummer August ist Vladimir Slobodeniuk nicht. Mit seiner großen Brille ähnelt der kleingewachsene Russe eher dem mit Zauberkräften ausgestatteten Romanhelden Harry Potter. Und „zaubern“ kann der Clown des „Circus BuschRoland“ auch. Das soll ihm aus der Clownszunft erst mal einer nachmachen, wie er da auf einem Klappstuhl, der bedrohlich auf einem schlappen Drahtseil kippelt, lachend Tasse, Unterteller und Löffel jongliert. Nun ist der Mann, der die 13 Nummern des Zirkusprogramms verbindet, auch in Kiel zu erleben. Die KN haben sich das Programm vor der heutigen Premiere schon einmal in Lüneburg angesehen.

Es sind nicht unbedingt die knalliggrellen Sensationen der Großzirkusse mit Showtreppe oder HighTechTricks, die sich unter der liebevoll mit Goldsternen verzierten Zeltkuppel ereignen. Dafür hat  „Circus BuschRoland“ eine familiengerechte Atmosphäre geschaffen. Das Zelt wurde verkleinert, bietet etwa 1500 Menschen Platz. Bei der Neukonstruktion gibt es keine so genannten Sturmstangen mehr die von einigen Plätzen aus die Sicht auf die Manege versperrten. Stattdessen sorgen nur tragende Stahlseile, die in die Zelthaut eingearbeitet wurden für die Stabilität. Vorteile: Die kleinere Zeltvariante biete bessere Sicht, passt auch auf kleinere Spielorte, die Besucher sind dichter am zirzensischen Geschehen, auch die Artisten haben engeren Kontakt zum Publikum.

Der bis ins Jahr 1884 zurück reichenden Gründerzeit ist da Unternehmen „BuschRoland“ treu geblieben. Dazu gehören natürlich auch die Tierdressuren. Wie elegant und präzise sich die Tonnen schweren Elefanten im Manegenrund bewegen können, demonstrieren die Casselly´s. Während René Casselly stehend auf zwei Schwergewichten durch das SandSägespänegemisch prescht, wirbelt er gleichzeitig seine Frau Alexia in einem Turner- „Pas de deux“ um seinen Körper herum.

Nicht ganz so fröhlich geht es bei der Raubtiernummer zu. Bengaltigerdame „Ruby“ hat an diesem Abend schlechte Laune von den Rangeleien der Raubkatzen untereinander mit in die Manege gebracht. Zwei Mal versucht der Dompteur Carl Mundeling aus Norwegen, „Ruby“ zu Sprüngen auf den Hinterbeinen zu motivieren. Ohne Erfolg. Mit einem gewaltigen Prankenhieb und einem Biss zerbricht die Tigerin die hölzerne Dompteursstange. Das Publikum spürt wenig von der ungeheuren Spannung hinter dem Gitter. Nur der Schweiß, der dem mutigen Mann nach Ende der Nummer aus allen Poren quillt, lässt sein Ringen um die Vorherrschaft unter den Raubtieren erahnen.

Kaum minder verwegen ist das, was die lettische Truppe „Ivanovi“ zu bieten hat. Wie eine Feder wird die zierliche Nadja Ivanov von den beiden Trägern des biegsamen „russischen Barrens“ in die Luft katapultiert. Scheinbar mühelos setzt die ehemalige russische Meisterin der Sportgymnastik Schwerkraft außer Funktion, vollführt gestreckte Salti mit Schraube, landet sicher auf dem rund 40 Zentimeter breiten Biegebarren. Donnernder Applaus, offen stehende Münder. Und immer wieder die Frage: Wie kann so was funktionieren - Tag für Tag?

Das fragt sich an diesem Abend auch so mancher Besucher, der die fünf brennenden Fackeln der JonglageArtistin Sandra Stipka oder die HalsbrecherBalanceakte der „Truppe Wolf“ auf freistehenden Leitern bestaunt. Nach zweieinhalb Stunden verabschieden sich die Artisten von den vor Begeisterung trampelnden Lüneburgern. Die Kieler können sich freuen.

Jürgen Küppers